Donnerstag, 29. Mai 2008

The Ex-Files


Nachdem du gegangen bist, muss ich lüften. Und ich weiß, es gibt keine Möglichkeit, diese Feststellung nett zu treffen oder ohne, dass sie verletzt. Deswegen versuche ich es erst gar nicht. Du bist weg – und ich lüfte dich aus meiner Wohnung. Wieder. Schüttle sogar den Überwurf der Couch, auf dem du gesessen hast, aus dem Fenster in die regnerische, kühle Nachtluft hinaus, damit kein bisschen von deinem Geruch zurückbleibt.

Du gehörst hier nicht mehr her. Das weiß ich längst. Aber du hast hier auch nichts mehr verloren. Das ist mir nun klar. Dein Ansinnen war nobel, wir haben uns im Treppenhaus getroffen, zufällig. Weil nach unserer Trennung keiner bereit gewesen war, aus dem Mietshaus auszuziehen, in dem wir beiden wohnen, passiert das noch manchmal. Oder – passierte, denn mich hält es hier nun nicht weiter. Ich hatte ein Problem mit einem widergespenstigen Elektrogerät, und du wolltest helfen. Als wir noch ein Paar waren, hast du so etwas nicht getan, „Was geht mich das an?“, war dein Standardsatz in solchen Situationen, verbunden mit dem Hinweis, ich solle mich um meinen Scheiß doch selbst kümmern. Nun aber, völlig überraschend, deine Hilfsbereitschaft; vielleicht habe ich sie deswegen angenommen, weil man immer noch hofft, Menschen würden sich ändern.

Dann bist du auf meiner Couch gesessen. Hast von meinem Bier getrunken, so wie früher, „wenn ich komme, muss Bier im Haus sein“, hast du immer gesagt; heute kaufe ich die grünen Flaschen nur für mich. Von deinem Leben hast du erzählt, dem ohne mich. Wie schlecht es dir geht, seitdem ich fort bin – und das immer noch, nach all der Zeit. Ich kämpfe dabei unbemerkt mit meinem Gewissen. Mir geht es gut, seit du kein Teil meines Lebens mehr bist. Ich kann wieder durchatmen, bekomme all die Luft, die ich brauche.

Du stehst auf, läufst im Wohnzimmer auf und ab, betrachtest Bilder, liest Buchrücken. Ich spüre, wie du nach Hinweisen auf einen neuen Mann suchst. Länger schon bist du dir sicher, dass es da wieder jemanden gibt und ich weiß, es macht dich wahnsinnig, dass ich nichts sage zu dem Thema. Nicht, weil es ein Geheimnis ist, sondern, weil es dich nichts angeht, ich mein Leben nicht mehr mit dir teilen mag, auch nicht in Worten. Ich will solche Dinge auch von dir nicht mehr wissen.

Doch du erzählst sie ungefragt. Dass du seit unserer Trennung keinen Sex mehr hattest, vor lauter Gram – und das dir, dem sprichwörtlichen Mister Popper. Ob du dafür gerne einen Pokal hättest, eine Urkunde, frage ich mich; auch, wieso du mir diese Dinge erzählst, mehr noch – aufbürdest, als sei ich verantwortlich dafür. Dass er dir nicht stehen will, wenn es darauf ankommt, beklagst du, das Gesicht in den Fotos meines Neffen, den Rücken zu mir. Als sei es meine Schuld. Ich sehe an dir vorbei in die dunkle Nacht und warte darauf, dass du verschwindest. Verblasst bist du längst.

Du klagst über dein hohes Alter, die Möglichkeiten die du verpasst hast in all der Zeit. Nennst mich die große Liebe deines Lebens, die eine Chance, die du hattest, auf echtes Glück. Ich verkneife mir die Anmerkung, dass Glück durch die Hintertür verschwindet, wenn man es so behandelt wie du mich, als es noch ein Wir gab, dessen Bestandteile du und ich waren.

Als du mein Badezimmer zum Pinkeln benutzt, lässt du die Tür offen stehen. Du hast meine Grenzen nie geachtet. Du kommst vom Klo zurück, da färben deine Wangen sich leicht. Ob ich wohl meine sexuellen Aktivitäten, du weißt ja nicht ob allein oder mit Partner, anderswo ausüben könne als im Bad? Die Gasrohre, so sagst du, trügen die Geräusche zu dir herunter, es sei schier unerträglich. Ich lächle unverbindlich. Hattest du darauf wirklich eine Antwort erwartet?

Und nein, du hast dich nicht verändert. Es geht immer noch nur um dich, deine Bedürfnisse, deine Sorgen, dein Leben. Und deine Beichte, deine Sehnsucht nach Vergebung. Denn du fühlst dich schuldig an dem, was passiert ist, klagst du noch, als du bereits wieder auf dem Weg nach draußen bist. „Heute wäre ich ein anderer, für dich“, lügst du, ohne rot zu werden. Ich tue dir den Gefallen und sage, dass es einfach nicht gepasst hat, dich keine Schuld trifft an unserem lauten Scheitern; da wirkst du beruhigt.

Mit der Wahrheit will ich dich nicht belasten. Du wirst den Schmerz, den du in mein Leben gebracht hast, nie verstehen – und es ist auch nicht mehr wichtig. Denn du bist fort und wenn die Narben auch bleiben, der Schmerz ist mit dir gegangen. Was von dir noch in meiner Wohnung hängt, schwindelig vertraut und gewohnt muffig, vertreibt die feuchte Nachtluft, als ich hinter dir her lüfte.

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