Man nehme, eine Portion schlechte Laune und einen möglichst
fiesen Titel. Entliehen einer unsäglichen Achtziger(?)jahreschmonzette – an der das Schlimmste vermutlich ist, dass ich sie kenne; auf geht’s in den
Fußballnachmittag. Und was hatte ich für eine riesige Lust, nach 72 Stunden
Einzelhaft mit meiner Erkältung bei diesem Spitzenwetter ins Stadion zu gehen –
Wahnsinn. Macht aber nichts, Heimspiel ist Heimspiel und in der momentanen
Situation braucht die Mannschaft jede Unterstützung.
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Wetter könnt’ besser sein. (Foto: WP) |
Haben sich außer mir zum Glück auch noch drei, vier andere
Leute gedacht. Klausi behauptet, es seien irgendwas um die 25.000 im
Stadion. Das muss er auch, denn soweit ich das verstanden habe, werden die
Dauerkartenbesitzer automatisch mitgezählt, ob anwesend oder auf dem heimischen
Sofa spielt da keine Rolle. Geschätzt sind nicht viel mehr als 20.000 im
Dauerregen ins Feld gezogen – das fühlt sich schon mal ziemlich beschissen
an.
Und besser wird’s auch fürs Erste nicht, im Gegenteil.
Zack, zweimal geblinzelt, schon liegen wir mit 0:2 hinten. Hallo,
Schiri (Foul an Niki), hallo, Torwart (1:0), hallo, Innenverteidigung (2:0), hallo, Fans (erste Hälfte erste Halbzeit), hallo, irgendjemand?
Nachtigall, ick hör dir trapsen,
das erinnert alles bedenklich ans Leverkusenspiel, wenn man noch eine fiese
Portion Unsicherheit bei unseren Buben drauf haut und ein paar Tausend Fans
abzieht. Was für eine Scheiße... Da hilft eigentlich nur, hüpfen, brüllen,
springen, unser Team nach vorne singen – und in der Halbzeit ein Bier holen,
zur Beruhigung.
Zweite Halbzeit, neues Spiel. Neues Glück.
Alter Choupo, der schon nach seiner Einwechslung in der 25. Minute eine Menge
Ideen und Bewegung ins Mainzer Spiel gebracht hatte. Auch im Stadion wird es
nun zunehmend lauter; ehrlicherweise sei gesagt, gemessen an der Zahl der
Leute, die heute da sind, war die erste Halbzeit schon okay. Trotzdem, in
Hälfte zwei passiert genau das, was wir nach meinem Gefühl zuletzt im Kollektiv
haben vermissen lassen, was wir nur noch aus der Erinnerung kennen, oder aus der
Beobachtung von Teams, die deutlich hinter uns liegen: Wir kämpfen.
Wir wehren uns nicht nur so ein bisschen, wir hauen uns
rein. Die Tribünen beben unter dem Alarm, den wir Fans machen. Die Spieler
beißen sich in die Zweikämpfe, halten drauf, ziehen nicht zurück, stehen
füreinander ein. Es mag pathetisch klingen, aber so, wie der alte Geist des
Bruchwegs im Bezug auf Jubel und schöne Momente schon lange den Sprung rüber in
die Arena geschafft hat, so sind heute auch endlich Kampfgeist und Wille für
Krisenzeiten in den Feldern angekommen.
Und es mag ein Zufall sein, dass um
mich herum auffällig viele Fans die „Mission 15“ Jacken anhaben, es mag auch
ganz profan am Regen liegen. Aber es ist genau dieser Geist, der uns
heute antreibt, es ist genau dieser Geist, den wir in der
aktuellen Situation so dringend brauchen.
Choupos Tor in der 82. Minute war wunderbar, und klar liegt
Hoffnung in einem solchen Treffer. Aber das Ding heute noch drehen? Schwer zu
sagen... Bangen, Regen, Hoffnung, Regen, Tor, Abseits, noch mehr Regen... Das
Ding scheint durch, aber immerhin, auf die Leistung und Einstellung in der
zweiten Hälfte können wir aufbauen. Drei Minuten Nachspielzeit, alle geben noch einmal alles –
einfach, um uns selbst zu beweisen, wir sind Mainzer. Das haben wir nicht
vergessen. Das hat etwas zu bedeuten. Und es wird uns durch die schwierige
Zeit, die ohne Zweifel vor uns liegt, helfen.
T-O-R in der 92. Minute. Was für ein unvergleichliches
Gefühl, was für eine Erleichterung. Nein, ich heule nicht, das ist der Regen. Nein, mich schüttelt’s nicht, das ist die Kälte. Was für eine Bude! Oh, welch pures Glück pocht durch meine Adern...
Ach und, liebe Bei-Regen-und-Nach-Niederlagen-Zuhause-Bleiber, ihr werdet nie wissen,
wie geil sich ein solches Tor anfühlt. Wir aber wissen, dass wir euch nicht
brauchen. Wir haben den Alarm heute ganz ohne euch gemacht. Mit irgendwas um die 20.000 ein Stadion mit Lärm und Liebe erfüllt, in das 34.000 reinpassen; wenn sie denn wollen. Und mit unserem
Team einen Punkt geholt, der sich anfühlt wie ein Sieg. Danke, bitte, Tusch,
abtreten, Auswärtssieg.
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