Was ich an Interviews liebe: Wenn Leute erzählen, sie seien in einem
Haushalt voller Musik und Literatur aufgewachsen. Das klingt warm und
klug, nach einem guten Zuhause. Zugegeben, auch bei uns gab es viele
Bücher und an Musik bestand kein Mangel – von Literatur zu sprechen,
wäre aber mehr als übers Ziel hinausgeschossen. Und beim genannten Zitat
denke ich irgendwie an andere Musik als den Soundtrack meiner Kindheit:
Gitte, Milva und Udo Jürgens. Und doch, unterm Strich haben mir meine
Eltern die Begeisterung für Musik und das Lesen mitgegeben, und das ist
ein großes Glück. Die entsprechenden Inhalte habe ich über die Jahre
Stück für Stück gefunden; und finde sie noch.
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Es kann ja nicht immer Livemusik sein… (Foto: Marieke Stern) |
Der Vorteil beim Lesen ist, dass ich mir über die Ausstattung keine
Gedanken machen muss: Einfach ein Buch kaufen, ab auf die Couch – und
alles ist gut. Und da ich mir, trotz Grundaffinität in Sachen Technik,
niemals einen Reader zulegen werde, ändert sich an dieser Simplizität
auch nichts. Anders sieht das bei Musik aus, denn die spielt sich nun
mal nicht auf dem Zeigefinger ab, vielmehr braucht es dazu ein Gerät,
doch genau an diesem Punkt betrete ich beherzt das Tal der
Ahnungslosen... Als Kinder hatten wir zuerst Kassettenrekorder, nannten
später tragbare CD-Player unser Eigen und waren als Teenager stolz auf
die erste eigene Kompaktanlage. Die klang zwar im Vergleich zum
Plattenspieler im Wohnzimmer ein wenig blechern, genügte aber, um den
ersten Stock in der gewünschten Lautstärke zu bedröhnen.
Im Grunde ist mein Stand bei Anlagen ähnlich wie der bei Musik: Ich kann
sehr gut unterscheiden zwischen „gefällt mir“ und „gefällt mir nicht“
(bei den Anlagen gleichbedeutend mit „klingt gut“ und „klingt eher nicht
so toll“); viel weiter komme ich aber nicht. Ehrlich gesagt ist auch
nicht auszuschließen, dass mir ein Mangel an Qualität erst mal gar nicht
auffällt – oder ich mich mit der Zeit daran gewöhne: Die
Anlage,
die in meinem Auto für Musik sorgt, verursacht auf längeren Fahrten
körperliche Schmerzen, und das Radio in meinem Badezimmer liegt gerne
mal etliche Takte neben der korrekten Empfangsspur.
Zuhause war ich lange mit zwei guten Freunden aus meiner Jugend
ausgerüstet: meinen Kompaktanlagen aus den Neunzigern. Das ging so lange
gut, bis eine das Zeitliche segnete. Relativ zeitgleich übrigens mit
meinem Kühlschrank, der zwar nicht vollständig kaputt ist, aber
funktional mit einer halb abgebrochenen Tür doch sehr eingeschränkt: Er
schließt zwar vollständig ab, einen Kühlschrank einhändig einzuräumen
(weil die zweite Hand die Tür hält) ist aber anspruchsvoller, als es
sich zunächst anhört... Ich schweife ab, doch das aus gutem Grund: Es
dauerte etwa ein Jahr, bis ich entschieden hatte, was ich zuerst
ersetzen möchte – die verblichene Anlage oder den verwundeten
Kühlschrank. Das mag lang erscheinen, aber zu dem Thema kann man sich
etliche Gedanken machen – und zwischenzeitlich gingen meine Überlegungen
vom Plattenspieler (wenn man schon etwas Neues anschafft, dann…) bis
zum Auszug (wo der Kühlschrank eh schon kaputt ist…) und wieder zurück
zur kleinen Lösung: Kompaktanlage (und im nächsten Winter den neuen
Kühlschrank).
Klar: Wer für kleines Geld die Möglichkeit zurückerobern möchte, im
Wohnzimmer Musik zu hören, die tatsächlich dort abgespielt wird (und
nicht aus dem Schlafzimmer herüber plärrt) darf keine klanglichen Wunder
erwarten. Aber so ein bisschen zum Genießen soll das neue Teil ja schon
sein. Also ab zum Großhandel meiner Nachbarschaft – von Vertrauen kann
keine Rede sein, andererseits
darf ich elektronische Geräte aber
auf keinen Fall im Fachhandel kaufen: Das endet nämlich so, dass ich viel zu viel Geld ausgebe, weil mich der freundliche Verkäufer
erfolgreich dahingehend eingelullt hat, dass – naja, das eben notwendig
ist. Ein freundlicher Verkäufer nähert sich mir auch im Großhandel, und
er scheint entzückt, als ich zur Schilderung meiner Kaufabsichten ein
Zettelchen aus der Manteltasche friemele. Darauf, so vermutet er, habe
ich die technischen Eckdaten notiert, auf die es mir ankommt? Beschämt
halte ich ihm meine Notizen hin: 40x26 – die Abmaße des Regals, auf
dessen Kopf ich meinen Neuerwerb gerne stellen möchte. Der Verkäufer
lässt seinen Kopf hängen.
Zumindest sind wir uns einig, was seine Vorführ-CD angeht: Adele
verursacht uns beiden Kopfschmerzen. Gegen den Lärm aus einem kleinen
CD-Player brülle ich an, der klänge wie mein alter Kassettenrekorder.
Der Verkäufer nickt traurig, ich gebe meine Größenvorgaben auf und wir
nähern uns den Kompaktanlagen. Die beäuge ich zunächst kritisch: Müssen
die derart bunt sein? Und derart hässlich? Mein Verkäufer schaut immer
noch traurig. Er zeigt mir die Sonderangebote, die mich allesamt nicht
ansprechen. Ich frage vorsichtig, was er sich als Zweitanlage ins Haus
holen würde? Mit gerümpfter Nase antwortet er, nichts in dieser
Preisklasse – und deutet auf die größeren, schöneren Anlagen mit sattem
Bass: Aber ich werde nicht auf den Fachhandelstrick hereinfallen! Und
plötzlich – ist das schon Resignation oder ein ehrlicher Versuch? – geht
er beherzt auf zwei der kleinen Anlagen zu: Diese könne er guten
Gewissens empfehlen.
Ich beäuge – nicht so hässlich. Ich horche – nicht so scheppernd. Ich
setze ein fachmännisches Gesicht auf – nicht so überzeugend. Und – ich
entscheide mich für eine der beiden Kompakten. Die erweist sich dann
leider als ausverkauft und ich bin mir nicht sicher, wer den Tränen
näher ist: mein Verkäufer oder ich? Doch es gibt noch ein Happy End: Ich
bekomme das Ausstellungsstück, mit 15 Prozent Nachlass auf den schon
reduzierten Preis – und als ich mich bei dem Verkäufer für seine
geduldige Beratung bedanke, scheint ihn das ehrlich zu freuen. Oder er
ist einfach nur erleichtert, dass ich, mein Zettelchen und die Anlage
endlich aus seinem Beratungsradius verschwinden...
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