Montag, 3. Mai 2010

…still there when you open your eyes


Obwohl ich zurzeit ohne den Einen unterwegs bin, hat es in meinem Leben natürlich schon die eine oder andere Liebe gegeben. Eine erste Liebe, die noch nichts wusste von der Welt. Eine unglückliche Liebe – auch wenn es vielleicht gar keine gewesen ist, ich den Zustand nur einen langen Moment dafür hielt. Eine große Liebe, wild und mächtig, die irgendwann unglücklich wurde und alles beschwerte, bis ich sie verscheucht habe und mit einem großen Besen aus der Welt gekehrt. Eine schwärmerische Liebe, irgendwann gewesen, gefühlt. Eine Liebe ganz für mich allein, von der niemand wusste, die nie erwidert wurde; es hätte ohnehin nur ihren Zauber zerstört.

Bereichert wurde mein Leben von jeder dieser Lieben, an Glück, an Erfahrung, an Schmerz, an Lachen, an Tränen und einfach an Tagen, die ich unter ihren Einfluss stellte. Manchmal erinnere ich mich an sie. Manchmal sehne ich mich nach ihnen. Oder nach einer neuen Liebe.

Nun ist es mit der Liebe aber so eine Sache, denn sie lässt sich nicht befehlen, einfordern oder herbeizaubern. Irgendwie ist sie zwar ohnehin immer da. In den Herzmenschen, die Bedeutung im eigenen Leben haben, ihm Bedeutung geben. In der Sonne, die sich im Heimatfluss spiegelt. Den Wörtern. Der Musik, die ein Echo in uns hervorruft. Babylachen. Schnee. Geburtstagskerzen. Dem Ausgleich in der 93. Minute. Einem Film, dessen Geschichte uns bewegt.

Aber diese Lieben sind anders als die eine, spezielle. Geteilt mit dem Menschen, dessen Bedeutung für einen selbst ungleich größer ist als für jeden anderen, dessen Weg er kreuzt. Der eine Mensch, dessen Gesicht uns als erstes in den Sinn kommt, wenn wir vor Freude tanzen wollen. Vor Stolz platzen. Oder vor Schmerz weinen, bis unser Seelenbrunnen kein Wasser mehr hält. Diese Liebe ist vielleicht auch deswegen so anders, weil sie nicht von Anfang an existiert, wie die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind oder der Schwester zum neuen kleinen Bruder. Und vielleicht ist sie deswegen auch so sehnsüchtig, vielleicht rührt daher unser Wunsch, in ihr von einem anderen Menschen gefunden zu werden.

Aber wie sollen sich zwei entdecken die gar nicht suchen? Beinahe scheinen diese Zufälle unmöglich. Und doch, ab und an glaube ich, im alltäglichen Getümmel ein Vielleicht zu erkennen, trotz Such-Verweigerung. Einen, mit dem ich es mir vorstellen kann, zumindest für einen kostbaren Moment, so etwas wie Liebe, vielleicht. Meistens ist der nächste Herzkopfschritt schnell getan, ergründen, erfühlen, in sich hinein horchen, ob da mehr ist als ein Vielleicht –  etwas, wohinter man ein Ausrufezeichen setzen, das man wagen möchte – und der andere mit. Meistens ist das nicht so. Liebe ist eben nicht alltäglich; das ist so banal wie wahr.

Im Wissen darum kann es passieren, dass man ein Vielleicht nicht loslässt. Sich an den Gedanken klammert, dieses Gefühl – das doch nicht wahrhaftig ist; es nicht gehen lassen will – mag sein aus Angst, etwas unwiederbringlich dabei zu verlieren. Auch ein Vielleicht ist ja nicht alltäglich. Schnell wird der andere so zur Projektionsfläche für die eigenen Gedanken und Gefühle. Und man klammert sich an eine Vorstellung, aus Angst, der wahre Moment wird vielleicht nie passieren. Es liegt ja auch ein Charme in der Projektion, darin, sich ein neues Finale für Geschichten auszudenken, deren Ende längst geschrieben ist – unberührt von der Realität.


Wer aber über seiner Träumerei eingeschlafen ist, wird den Moment verpassen, in dem das Leben die Phantasie einholt. 

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