Für die Dreharbeiten zu „Der Prinz und die Tänzerin“ reist die Schauspielerin im Sommer 1956 nach England. Laurence Olivier will seiner Komödie mit der „berühmtesten Frau“ der Welt das gewisse Etwas und sich als Hauptdarsteller einen Jungbrunnen verpassen. Und Marilyn Monroe fühlt sich, trotz der eindeutigen Genrezuordnung des Films, durch Oliviers Ruf als ernsthafte Schauspielerin gefordert – ein Missverständnis.
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Michelle Williams als Marilyn Monroe. (Foto: Verleih) |
So wenig Marilyn die Rolle fühlt, so sehr ist sie sonst von ihren Emotionen bestimmt. Wenn sie denn ihr gehören, die Gefühle, die scheinbar unkontrolliert durch ihren begehrten Körper rauschen – immerhin, es könnten auch einfach Reaktionen ihres Nervensystems auf die vielen Tabletten sein, mit denen sich die Schauspielerin durch den Tag hilft. Denn auf diese, wie unzählige andere Formen von Unterstützung, ist der labile Star längst angewiesen.
Dass ihr dritter Ehemann Arthur Miller ihr diese entzieht, indem er während der Dreharbeiten für eine Woche zurück nach New York reist, empfindet Marilyn deshalb wie einen neuen Teil in der scheinbaren Fortsetzungsgeschichte ihres Lebens: sie wird verlassen, wieder. In ihrer tief empfundenen Verunsicherung scheint sie nach dem Augenpaar Ausschau zu halten, das sie mit der größten Bewunderung anschaut – es sind die des dritten Regisseurs, Colin Clark.
Auf dessen tagebuchartigen Veröffentlichungen über seine Woche(n) an der Seite des Stars während der Dreharbeiten zu „Der Prinz und die Tänzerin“ basiert der Film „My Week with Marilyn“ von Simon Curtis – vielleicht ist es also nicht Curtis' Schuld, dass der inhaltlich arg belanglos daher kommt: Allein die Tatsache, dass sich ein Star darin tummelt, muss ein fremdes Tagebuch ja noch nicht interessant machen.
Da ist es nur folgerichtig, dass der Regisseur sich weniger auf Clarks dünnes Geschichtchen über die angebliche Liaison verlässt als auf die Stärke der erwähnten Figuren. Die durchweg großartig besetzt sind: Julia Ormond verleiht ihrer Vivienne Leigh Würde und Kraft, Zoe Wanamaker verhindert konsequent negative Gefühle gegenüber ihrer Paula Strasberg, Kenneth Branagh als Laurence Olivier ist der personalisierte Nervenzusammenbruch auf Zeit und schließlich, zum Niederknien: Judi Dench als humorvolle, warmherzige Sybil Thorndike.
Die Stars des Films aber sind, titelgerecht, Marilyn Monroe – und die wunderbare Michelle Williams, die ihre Rolle weniger spielt als sich ihr hinzugeben. So bezaubernd der Augenaufschlag, das Lachen, der Hüftschwung. So überzeugend die Angst, das Zittern, die Verzweiflung. Ihre eigentliche Leistung aber besteht darin, in einem Film, der vermeintlich von der Fremdbestimmtheit des als Norma Jeane geborenen Stars erzählen will, diesen Trugschluss aufzulösen: Marilyn Monroe, das war nie mehr als eine Rolle. Und so unglücklich diese das Mädchen Norma Jeane auch oft gemacht haben mag, war es letztlich sie, und nur sie, die diese Rolle kontrollierte.
Weil sie sich bewusst dafür entschieden hat, das Mädchen, das scheinbar niemand lieben konnte, aufzugeben für den Star, den allen bewundern. Auch wenn der Preis dafür war, selbst genau das zu tun, was sie allen anderen zum Vorwurf machte – dieses Mädchen zu verlassen.
My Week with Marilyn
Buch: Adrian Hodges
Regie: Simon Curtis
Darsteller: Michelle Williams, Julia Ormond, Eddie Redmayne
USA, 99 Minuten, FSK: 6
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