Sonntag, 23. März 2008

Billy Joel


In dem Moment, als mein Vater gestorben ist, saß ich auf dem Klo. Ich war gerade von der Party einer Bekannten nach Hause gekommen und irgendwie schräg drauf. Der ganze Tag war schon so seltsam gewesen, auch nachmittags, in der Fußballkneipe – ohne, dass ich einen Grund dafür benennen konnte; doch manchmal ist es ja gerade das.

Ich musste über meine Trennung nachdenken beim Pinkeln – und fand mich ganz fantastisch dafür, dass ich diese Beziehung überwunden hatte, endlich, nach all der Anlaufzeit. Einen Kampf zu Ende gefochten, und nun konnten die Wunden heilen, dir mir diese schwarze Liebe ins Fleisch geschlagen hatte.

Irgendetwas hatte dieser Moment plötzlich, im halbdunklen Bad, das mich pathetisch werden ließ – vielleicht waren es auch nur die Jägermeister, die an diesem Abend schon in mich hineingeflossen waren. Ich packte mein Handy aus und filmte meine Badewanne; weil der Schein der Straßenlaterne sie in ein warmes Lichtrauschen hüllte, das ich festhalten wollte.

Als ich Tage später im leeren Haus meines Papis saß, zwischen meinen Geschwistern und mit diesem wummernden Wort im Kopf: Herzinfarkt, Herzinfarkt, Herzinfarkt – da musste ich plötzlich daran denken, dass ich gepinkelt habe, als es passierte.

Dass ich Radio hörte und meine Badezimmerfließen anstarrte, als sein großes Herz stehenblieb. Meine Blase entleerte, während die Ärzte versuchten, sein Leben zu retten. Und ich konnte diese beiden Situationen des einen Momentes, der für immer alles verändert hatte, nicht zusammenbringen – obgleich ich mich darum bemühte, als hinge mein weiteres Leben davon ab.

Schließlich habe ich mir den kleinen Film angeschaut, den ich mit dem Handy zusammengeflimmert hatte in jener Nacht – und unvermutet das Lied wahrgenommen, das in dem Moment im Radio lief. Billy Joel, Leningrad. Die Textzeile, die das Handy mit aufgezeichnet, hatte lautete –

„and in that bright October sun
we knew
our childhood days were gone“.

~~~

Und er hatte Recht.

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