Montag, 24. März 2008

This ain't Hollywood


„Halt mich!“, flüstert sie, einem unsinnigen Reflex folgend, der ihre eigenen Mauern kurz und schnell überwindet; offenbar hatte sie in letzter Zeit zu viele Kitschfilme gesehen, früher wäre ihr so etwas nicht passiert. Der Typ, sie glaubt sich zu erinnern, er heißt Marc, grunzt unwillig.

Statt sie einen Moment in den Arm zu nehmen, fängt er erneut an, ihr zwischen die Beine zu wühlen und macht sich wild leckend an ihren Brüsten zu schaffen. Dabei bekommt er tatsächlich schon wieder einen Ständer. „Du machst mich so geil“, zischt er ihr ins Ohr, bevor er fast brutal in sie eindringt und beginnt, sich schnell und heftig in ihr zu bewegen. Sie vergisst ihre kurze Kitschanwandlung, drängt ihren Unterleib gegen seinen, krallt sich an den metallenen Bettpfosten fest und hält seinen Stößen entgegen.

Als er eingeschlafen ist, sitzt sie in seinem Badezimmer auf dem Toilettendeckel und starrt auf das Display ihres Handys. Sie hat den Typen schon ein paar Mal gesehen, immer in irgendwelchen Discos, zumeist mit anderen Frauen. Trotzdem schien er sich immer für sie zu interessieren. Einmal, vor ein paar Wochen, hatten sie in einem dieser Läden geknutscht, mehr aus Zufall, wie es ihr schien. Doch sie war schräg drauf gewesen an dem Abend und, nachdem sie ihn erst ziemlich heiß gemacht hatte, später einfach abgehauen.

Danach hatte sie ihn eine Weile nicht wiedergesehen, bis gestern im FLOS. Da kam er plötzlich auf sie zu, packte sie am Handgelenk und zerrte sie in irgendeine dunkle Ecke, wo er unter halb liebevollen, halb wütenden Beschimpfungen anfing, sie derart heftig zu knutschen und zu befummeln, dass sie diesmal echt Lust auf mehr bekommen hatte – und mit zu ihm gegangen war. Marc, Ralf, oder wie auch immer.

„Tobi mobil“, schreit ihr lautlos das Display ihres Handys entgegen, das bereits wieder im Dunkeln liegt. Sie löscht die Nachricht auf der Mobilbox, ohne sie vorher anzuhören. Der Idiot glaubt an eine Liebe, die doch nie mehr war als eine Illusion. Wie alles, was man glaubt, festhalten zu können. Sie will sein Bitten und Betteln nicht mehr hören, lieber fickt sie auch noch den Rest der Stadt.

„Sorry“, murmelt sie in Richtung des Handys, oder vielleicht auch in die Himmelsrichtung, unter der sie Tobi vermutet, während sie sich aufrappelt und vor den Spiegel stellt. Ihre Augen sehen ein wenig stumpf aus heute Abend, oder liegt das an dem Licht?

Neugierig durchforstet sie das Badezimmerschränkchen. Zahnbürsten, jede Menge. Davidoff Cool Water. Wattestäbchen, eine Kassette, Bürste und Kamm. Ziemlich ordentlich, der Typ. Seife, Rasierer, Schaum, Deo. In der ganz rechten Tür, Tampons, eine rote Zahnbürste und eine Kette mit Herzchenanhänger – ein angeschossener Stelzbock also, wie alle, wie sie selbst; humpelndes Reh.

Als sie aus dem Bad zurückkommt, ist er bereits wieder wach und streckt fordernd die Hände nach ihr aus. Diesmal will er allerdings nur kuscheln und sie schläft für eine Nacht in dieser fremden Geborgenheit, die vorgibt, real zu sein, obgleich sie dem Stamm der Gaukler angehört.

Am nächsten Morgen schleicht sie sich aus der Wohnung, während er in der Küche steht und das Kaffeewasser aufsetzt. Sie war noch immer in seinen Armen wachgeworden und erschrocken über den Frieden, der sich im Zimmer ausgebreitet hatte, obwohl er nicht dorthin gehörte.

Auch sein Kuss passte nicht in ihre Idee von dieser Nacht, wenn es ihr auch so vorkam, als ob er damit mehr einem Reflex gefolgt war, der sich beim Aufwachen automatisch eingestellt hatte; und gleich darauf gereut. Sie grübelt nach seinem Namen, aber nur kurz. Und hat ihn bereits fast vergessen, als seine Tür leise hinter ihr ins Schloss fällt.

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