Montag, 28. April 2008

Das Oskar-ABC der Singlemänner


„Singlemänner an sich“, meint mein Kumpel Oskar, „kannst du erstmal in ganz grobe Kategorien unterteilen, vier Stück, würde ich sagen. Zuerst sind da die Aufreißer und die Frauenversteher.“ Ich rutsche ein wenig auf meinem IKEA Bananenkissen hin und her und ernte dafür einen Anschiss. „Wenn du nicht mal stillhältst, muss ich von vorn anfangen und das is dann vor allem dein Pech.“ „Aber das Bananenkissen zwickt mich in den Popo“, jammere ich, „und mir is’ so heiß“. „Das ist ein Grund mehr, endlich die Füße stillzuhalten, wenn du dich bewegst wird’s dir doch bloß noch heißer.“ Ich füge mich grummelnd in mein Schicksal.

„Also, wie geht deine Klischeeargumentation über den Singlemann an sich jetzt weiter?“ Wenn ich mich schon quäle, will ich dabei wenigstens ein bisschen was über den Mann, das unbekannte Wesen, dazulernen. „Na ja“, Oskar kaut auf seinem Bleistift, ich versuche, mich heimlich am Hintern zu kratzen, was mir einen ungnädigen Blick einbringt. Also bemühe ich mich, weiter stillzusitzen und das Jucken zu ignorieren.

„Ein Aufreißer tut, was der Name halt vermuten lässt: Er reißt Frauen auf. Reihenweise und zum Vergnügen. Das kündigt er auch so an, aber dann fährt er ’ne derartige Charmeoffensive, dass die aktuell Angebetete doch wieder glaubt, was Besonderes zu sein. Ratzfatz landen die beiden in der Kiste – und während sie mit ’nem mittelmäßigen Orgasmus die erste Stufe auf dem Weg zur Wolke sieben genommen hat, wählt er neben ihr in Gedanken schon die Nummer des Taxiunternehmens seines Vertrauens. War der Sex gut, kommt er vielleicht noch mal wieder und erhöht bei dem Mädel unnötig die Fallhöhe, aber in der Regel wird sie nix mehr von ihm hören.“

„Und wenn er sich in sie verliebt?“, bohre ich nach. „Tut er nicht. Dann wäre er ja kein Aufreißer – sondern ein Frauenversteher.“ Von so viel entwaffnender männlicher Logik fängt meine Kopfhaut an zu jucken – ich traue mich aber nicht zu kratzen. „Kannst du den linken Arm wieder ein bisschen höher nehmen“, fordert Oskar da unbarmherzig, „der ist nämlich gerade etwas abgerutscht“. Ich rolle genervt mit den Augen, was Oskar aber nicht interessiert; schließlich verändere ich dabei meine Pose nicht.

„Und was machen die so, außer Frauen verstehen?“ „Einmal, sie aus sicherer Entfernung anhimmeln. Aber das würden sie natürlich nie zugeben, um nich’ die Freundschaften, die sie mit ihren Mädels pflegen, zu gefährden.“ „Was für ’ne Quälerei“, murmele ich. „Klar. Der Frauenversteher an sich ist auch’n bisschen masochistisch veranlagt“, sagt Oskar und grinst mich an. „Immerhin kommt zu dem Umstand des fernen Anhimmelns noch seine Rolle als 1A Zuhörer, sprich, nicht nur kann er das Mädel seiner Träume nicht haben, er tröstet sie auch noch, wenn der Aufreißer sie wie eine heiße Kartoffel fallengelassen hat.“

„Irgendwie klingt das alles nicht so prickelnd“, stelle ich fest, während ich einem Schweißtropfen nachschiele, der zwischen meinen Brüsten hindurch in Richtung meines Bauchnabels rinnt. „Bist du hier gleich mal fertig?“, nörgle ich den Mann am Zeichenblock an. „Ich muss pinkeln.“ „Fünf Minuten noch“, fordert der – „und damit genügend Zeit, um dich vor dem schlimmsten Singlemann überhaupt zu warnen“. Ich ziehe eine Braue hoch und reiße die Augen auf: „Ach, es kommt noch schlimmer?“ Oskar senkt mit einem bösen Lächeln die Stimme. „Und wie! Mach dich bereit für – das Weichei.“ Ich muss lachen. „Das Weichei?“ Oskar nickt ernsthaft.

„Das Weichei leidet an einer völlig verzerrten Selbstwahrnehmung. Hält sich schon bereit für die nächste Frau, ist aber eigentlich noch vollmundig am Wunden lecken. Möchte ein Aufreißer sein, appelliert bei den Frauen aber eher an so eine Art Beschützerinstinkt. Was zu einer aggressiven Sexualität führt und dem Wunsch, dich erst ordentlich zu vögeln und dann stundenlang mit dir darüber zu reden. Absolut metrosexuell, oder wie das heute heißt. Braucht länger im Bad als du. Absolut empfindsam. Ein wirklich toller Typ, irgendwie, aber Null mit sich im Reinen. Dem darfst du unter gar keinen Umständen zu nahe kommen. Und ihn schon gar nicht in dein Bett lassen.“

Ich nicke abwesend, bevor ich abermals nachbohre: „Und das war’s dann aus deiner Sicht, ja?“ Ich hätte Oskar gerne angesehen bei der Frage, aber das verbietet meine Pose. Der Schweißtropfen ist mittlerweile in meinem Bauchnabel angekommen und mein Arm wird taub. „Doch, klar. Dann gibt’s noch den, der ehrlich auf der Suche ist – und der unterteilt sich noch ma’ in’n paar Untergruppen, sehr komplex, der Kerl. Wichtig für euch Mädels is aber eigentlich nur zu kapieren, ist der Typ wirklich auf der Suche nach was Echtem, oder nur nach ’ner Frau, die seine Wunden so lange verarztet, bis er wieder auf dem Damm ist – und sich was Neues sucht. Der eine ist im Grunde The One and Only, der, mit dem du glücklich werden kannst – und dementsprechend rar. Der andere ist ’ne Katastrophe. Nur leider weiß der geneigte Singlemann oft selbst nicht, zu welcher Gruppe er eigentlich gehört, bis er nich die ersten paar Wochen mit der neuen Frau verbracht hat.“

Oskar blickt vom Zeichenblock auf: „Fertig.“ „Ich auch. Nervlich. Das war nich’ unbedingt ne tolle Werbung für deine Spezies“, stelle ich fest. Oskar lacht: „Ach, das war doch nur Spaß. Und reiner Selbstzweck. Wenn du wieder damit anfängst, dich auch anderweitig auszuziehen, als um dich von mir zeichnen zu lassen, hast du ja keine Zeit mehr für mich – und ich muss üben.“ Spricht’s – und verpasst mir einem Klaps auf meinen nackten Po.

„Finger weg“, grummle ich, und greif nach meinem Bademantel. „Du hast mir grad eh’ schon die Laune auf euch Kerle verdorben, jetzt lass mir wenigstens meinen Glauben an den guten, platonischen Freund, der seit Jahren in einer festen Beziehung steckt.“ Oskar grinst schelmisch. „Ach Süße, mach’ dir keine Illusionen, ich bin doch auch nur ein Aufreißer im Vorruhestand.“

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