Montag, 30. Januar 2012

Chantale, du Arschloch

Lohnt immer – der Duden! (Foto: Verlag)
Es gibt ja Phänomene, denen man eine ganze Weile aus dem Weg gehen kann – nur, um irgendwann mit Wucht von ihnen eingeholt zu werden. So ging es mir mit dem Thema böse, Vorurteile schürende Vornamen, hierzulande hinlänglich unter den wunderbaren Begriffen Chantalismus oder Kevinismus bekannt.

Eine erste Begegnung gab es zwar schon vor einigen Jahren, als ich im Bus eine junge Mutter, umringt von ihren drei kleinen Kindern, bei der Ausübung dessen beobachten konnte, was sie vermutlich für Erziehung hielt. Dabei fielen überraschend häufig das Wort „Arschloch“ und die Wortkette „Chantale, du Arschloch“ – am Ende fing sich Chantale ein paar Backpfeifen für: ich habe den Grund vergessen. Und ich mir selbige bei der Wiedergabe der Geschichte, verbal, als gar nicht so stumme Anklage dafür, nicht eingegriffen sondern nur entsetzt geglotzt zu haben.

Zwischen den Jahren dann, Indoor-Spielplatz mit einem der beiden Lieblingsneffen. Man hält das ja immer für Klischees, dass alle schlechterzogenen Kinder mit Rotznase und Müttern, die in zu engen Leggings rauchend an ihren Telefonen rumspielen, während der Stepkke über ein aufgeschlagenes Knie heult, wirklich so heißen… Ist es aber nicht, denn an diesem Hort des Grauens fliegen ausschließlich Namen durch die Luft, für die man die Eltern verklagen wollen würde. Mein nie-gehört-Favorit: Ludvina. Mit Schwesterchen Cheyline – für Rechtschreibung keine Gewähr.

Und jetzt das, auf Facebook kursiert seit Tagen der Link zu einer Seite, auf der Geburtsanzeigen von Kindern gesammelt werden, deren Eltern offenbar unter dem Einfluss vielfältiger Drogen standen oder schwer genuschelt haben, als sie die Namen ihrer Sprösslinge zu Protokoll gaben. Denn wie anders lässt sich erklären, dass mindestens ein bis zwei erwachsene Menschen der Meinung sind, ein Kind namens Alina Cataleya käme ohne schwere psychische Beeinträchtigungen durchs Leben?

Wissen wiederum die Eltern von Norma-Jean, welche Fußstapfen sie ihrer Kleinen (ich gehe doch mal davon aus, es handelt sich um ein Mädchen…) unter die Treter gestanzt haben? Und wie lange Brüderchen Joel Maurice wohl brauchen wird, bis er in der Lage ist, seinen Namen zu schreiben? Was mich wiederum zu einem nicht unerheblichen Teilaspekt dieser Amok-Namensgebung bringt: Denkt denn niemand an die Lehrerinnen und Erzieher unseres Landes, die sich bei sagen wir 25 Kinder in einer Kita-Gruppe oder Schulklasse plötzlich mindestens das doppelte an Namen merken müssen? Weil Jermain Jeturo Maddox vielleicht darauf besteht, mit vollem Namen angesprochen zu werden?

Außerdem, was passiert mit Summer Indira Soraya, wenn sie später mal ihren Nachnamen behalten und den ihres Mannes annehmen möchte und hinter das formschöne Vornamen-Trio auch noch einen Doppel-Nachnamen stellen muss? Und wie schafft es die Mama der Klassenkameradin von Tyra Summer sich unfallfrei nach dem Wohlergehen von deren Geschwistern Kylie Angel und Amon Thor zu erkundigen?

Da mutet es doch beinahe wie ein Treppenwitz der Namensgebungsgeschichte an, dass eine Studentin kürzlich im Zuge ihrer Abschlussarbeit herausgefunden hat, Hunde hören heutzutage immer häufiger auf Menschennamen: Es steht also zu vermuten, dass Nick-Raven von Eifersucht über so viel Normalität geplagt werden wird, wenn er auf den Familienhund Ben trifft.

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